Sturmnacht ~ Eine Geschichte vom Leben

Ganz langsam komme ich zu mir. Es ist vorbei. Bin ich nun im Reich Jenseits? So still und schön. Vögel zwitschern. Ich komme nur schwer zurück ins hier. Ich liege noch in meiner Hängematte. Erleichterung. Offensichtlich habe ich diese Nacht überlebt. Ich beginne meinen Körper zu fühlen. Berühre mich im Gesicht und nach und nach ertaste ich meine Körperin, soweit der Fellschlafsack das ermöglicht. Ja, hmmmmm ich lebe noch und liege in meiner Hängematte im Hängemattenbambusgestell. Selbst die schwer mit Wachs-Leinöl imprägnierte Baumwollplane hängt noch über mir. Es hat gehalten. Ich bin nicht über die Klippen geflogen, auch wenn der Sturm in der vergangenen Nacht dies immer wieder und immer heftiger einludt. Puhhhhhhhhh…. Ganz schön schön so ein aufwachen. Nach und nach komm ich in Zeitlupe langsam Stück für Stück zu mir. Mir ist, als ob ich auf weiter langer sehr sehr anstrengender Reise war. Mein Gefährte in seiner Hängematte ist ebenfalls noch da. Der sonst Frühaufsteher bewegt sich noch nicht in seinem Lager. Vermutlich hat ihn die Nacht ebenso mitgenommen, weit weit weg.

 

Ich schäle mich langsam mit steifen müden Knochen aus dem Schlaffell und aus der Hängematte und luge unter meinem Regenschutz hervor. Strahlendblauer Himmel, friedliches Paradies hoch in den Dünen in den Klippen über dem nahezu stillen Meer. Das Leben spuckt mich, nach dieser krassen Erfahrung einfach ins Paradies aus. Wow. Sprachlos sitze ich kraftlos da und lasse das Szenario der Natur, die pures Glück verheißt, auf mich wirken.

Weltenreisende ~ so wahr und so anders, als ursprünglich gedacht. Damals, als ich mich auf die Reise machte, dachte ich, die Welt zu entdecken und eine Musikreise zu begehen. Weltenreisende bin ich nun. Point of no return längt weit hinter mir. Es gibt kein zurück. Es geht nur noch FÜR das Leben, FÜR Lebendigkeit, FÜR Ekstase als mein ganz natürlicher Urzustand, FÜR Liebe, FÜR…..

 

Leben kennt kein „gegen“. Leben kann niemals gegen etwas sein. Gegen ist immer für.

Ich entscheide mich für Freiheit – nicht gegen Sicherheit

Ich gehe meinen Weg vorwärts. Rückwärts kann er höchstens gedacht werden, niemals gegangen.

Erleben ist nicht rückgängig zu machen, nicht mal das Fremderleben über Fernsehen. Erlebt ist erlebt. Das Nervensystem hat keine delete Taste.

 

Energetisch ist das sowieso klar. Energie folgt der Aufmerksamkeit. Lenke ich also meine Aufmerksamkeit gegen etwas, verstärke ich die Energie, die selbiges bekommt. Sprich: ICH erschaffe mehr davon. Verrückt, nicht wahr? So ist das mit Krieg, mit Demonstration gegen…..

Was, wenn du nicht mal „für“… demonstrierst, sondern es einfach BIST. Als dein Selbstverständnis lebst. Dein Leben voranschreitest. Einfach HIN ZU dem, was du BIST. Nimm deinen Raum ein, am heiligen Feuer. Deinen Platz für den du hier auf die Erde gekommen bist. Um Erfahrungen zu machen und die Schätze darin zu finden, zu fühlen, dich davon reich werden zu lassen. Um dich damit der Welt zu schenken.

 

Das Leben ist gütig. Es schenkt dir immer und immer wieder die gleichen Erfahrungen, bis du „die Lektion gelernt hast“ sagen manche. Ich sage, bis du den Schatz darin gefunden und zu dir genommen hast. Ja, manchmal scheint es wirklich krass, einen Schatz in den wüstesten Erlebnissen zu suchen. Doch du weißt auf einer Ebene selbst, dass in den größten Herausforderungen, im tiefsten Schmerz und der größten Angst, die größte Freiheit, der größte Segen, die größte Glückseligkeit liegen.

 

„Warum?“ ist eine sinnlose Frage, welche an Kaussallogik und damit Linearität glaubt, die Vielschichtigkeit des Lebens ignoriert und in der Vergangenheit festhängt. Richte den Blick nach vorne, dann ersetze sie durch „Wofür?“. Das kann als erster Schritt dienen, um die Blickrichtung zu ändern. Irgendwann landest du sowieso im Sein, hier jetzt.

 

Was durch Marshall Rosenberg als Gewaltfreie Kommunikation bekannt wurde mit dem Focus auf eigene Gefühle und Bedürfnisse, ist ein schöner Anfang. Aber eben nur ein Anfang. Und Marshall wusste das. Er selbst zeugt in seinen Interviews von großem Wissen aus der Tiefe. Von wahrhafter Liebe und menschlichen Herausforderungen. Dass seine Lehren inzwischen vielerorts auf eine Zweidimensionalität gepresst werden, stimmt mich traurig. Das Leben ist nicht linear. Nicht kausallogisch. Das Leben IST CHAOS. Und in diesem Chaos herrscht eine unfassbar wunderschöne sich immer und immer wieder aus sich selbst heraus neuorganisierende Ordnung. Chaos und Fraktale zeigt uns die Magie dieser Formen. Und die Wahrheit geht weit darüber hinaus in vielschichtige Dimensionen, von denen wir nur einen kleinen Bruchteil überhaupt wahrnehmen können.

Immer mehr Menschen erinnern sich an ihre Vielschichtigkeit und ihre natürliche Weisheit. Verbunden mit allem. Sein im Ein. All-Ein-Sein. Wer es erlebt hat mit Bewusstsein, lächelt nur, ob der beschränkten Worte. Wer es (noch) nicht bewusst erlebte, kann keine Vorstellung davon haben. Und es gibt nichts zu tun.

 

Es gibt nur FÜR Lebendigkeit.

 

Frage dich nicht, was die Welt braucht! Das bringt dich nur von dir weg ins Außen, in Projektionen, in Illusion.

Frage dich, was DICH zum LEUCHTEN bringt. Was dein Herz tanzen, deine Seele sprudeln, dein Glück dich gefühlt zum platzen bringt. Lass es raus, drück es aus. Sei DU SELBST. Ausdruck von Lebendigkeit. Lebensenergie, die sich durch dich ausdrücken will. Energie, die durch dich ins Leben will. Was bringt dich zum leuchten? Wann tanzt dein Herz?

DIE WELT BRAUCHT LEUCHTENDE MENSCHEN!

 

Mir graut und gruselt es immer wieder bei all den Versuchen Gemeinschaften zu bilden und Regeln dafür zu finden und… Gemeinschaft wird ganz groß geschrieben.

 

Kannst du sehen, dass sie meist - ja wirklich fast immer – eine Projektion ins Außen ist? Kannst du sehen, dass da Menschen zusammen kommen, die von anderen etwas „wollen“. Die eine Vorstellung haben, und die anderen sollen da rein passen? Spürst du, dass dies Enge auslöst statt Glück. Wie zwei Bettler, die mit ihren unerfüllten Bedürfnissen dem anderen in die Tasche greifen…

 

NEIN! Die Antwort heißt nicht Gemeinschaft. Die Antwort heißt tauche in dich ein. Lande in deinem Sein. Entdecke deine Schätze und lecke dabei deine Wunden. Heile DICH.

 

Dann kommt Gemeinschaft ganz von alleine. Menschen, die auf ihrem Weg sind, die bereit sind in voller Selbstverantwortung hier auf der Erde zu wandeln, begegnen sich, beschenken sich.

Es geht nicht mehr um Nehmen und Geben und darauf achten, dass es im Gleichgewicht ist. Nein! Es geht um überfließen aus der eigenen Mitte, aus dem eigenen Sein und sich zu verschenken ohne sich zu verlieren.

Weil du dir am Herzen liegst, stehst du für dich IMMER an erster Stelle. Rosenberg nennt es Selbstempathie hat immer Vorrang. Liebe deinen Nächsten WIE DICH SELBST. Jedes Urteil, das du über einen anderen fällst, trägst du gegen dich in dir. Da ist der Anfang vom Wandel. Der Anfang hin zum Frieden in dir. Nach und nach kannst du immer mehr Liebe für dich selbst verspüren. In Wellen, mal mehr mal weniger. Und mit dem selbst erfüllt sein, beginnt es überzufließen und wie von Zauberhand findest du dich im Paradies der neuen Erde. Nahezu unmerklich, manchmal mit wilden Stürmen ganz heftig, verändert sich dein Leben, indem du FÜR DICH gehst, FÜR DICH lebst, FÜR DICH liebst.

 

Sturmnacht

Was war geschehen? Völlig erschöpft und glückselig zugleich am nächsten Tag. Dabei lag ich nur die ganze Nacht in meiner Hängematte. Hatte ich nur zu wenig geschlafen? Nein. Weltenreisende war ich, wieder mal. Die Angst im Moment. Körper geflutet von Hormonen. Bereit für Kampf oder Flucht. Gegen Sturm lässt sich nicht kämpfen. Also Flucht. Mein Hirn läuft auf Hochtouren. Ich will aus der Hängematte vom Hügel heraus und mich hinter oder in ein Auto legen, geschützt. Bevor der Sturm noch stärker wird und mich mitsamt dem Bambusgestell und den Schutzplanen den Berg hinunterfliegen lässt ins tosende Meer. Mein Verstand versucht abzuschätzen, ob das möglich ist. Kann ich das unbeschadet überstehen? Fliegt mir nicht beim Versuch, die Hängematte zu verlassen das ganze Ding so um die Ohren, dass es mich mitreißt?

Ich atme, versuch einen klaren Kopf zu bekommen. Merke, dass mir die Angst in die Knochen kriecht und zunehmend meinen Kopf vereinnahmt. Eine Entscheidung ist fällig. Ich spüre, es geht nicht. Das geht nicht gut. Was ist die Alternative? Liegen bleiben. Ich liege also hier in meiner Hängematte. Ich atme und mache mich schwer. Ich kann mich noch schwerer atmen. Verbinde mich mit der Erde. Dankbar für meine meditative Yogaerfahrung. Ich verwurzle mich, hängend tief nach unten. Bitte die Erde um Stabilität. Bitte sie, mich zu halten. Bete. Die schwere Plane zerrt und ächtzt unter dem Angriff des Sturms. Sie ist fest mit dem Bambusgestell verschraubt. Entweder sie hält, oder sie reißt (was unwahrscheinlich ist, ob der Stabilität) oder sie trägt alles mitsamt mir als Segel mit dem Wind wütend davon. Keine tolle Aussicht. Ich versuche mich zu entspannen. Atme atme und atme….. mal hilft es mir für einige Momente, dann kommt die nächste irre Sturmböe und mein Kopf meldet: gleich, gleich ist alles zu spät.

ANGST – völlige Präsenz im hier und jetzt. Körper, Atmen, jede Zelle spüren in höchster Alarmbereitschaft. LEBENDIGKEIT PUR

 

Das was viele Angst nennen, die Enge, ist Kollaps. KEINE Angst. Alle Welt spricht von Angst und meint den kollektiven globalen Kollaps. Mit Leben hat der nichts zu tun. Das ist die Entscheidung für Tod, für scheinbare Sicherheit, die es sowieso nicht gibt. Nie gab. Pure Illusion. Die einzige Sicherheit auf dieser Erde ist der Wandel, das weiterfließen, verändern, sich wandeln….

 

Kleiner Gedankenausflug. Zurück zum Sturm. Die Anstrengung, die ich noch Tage danach in den Knochen spüre, sind die Folgen der Angst. Ganzes System voll on. Die ganze Nacht. Und doch bin ich irgendwann weggenickt. Eingeschlafen mitten im größten Sturm. Wie kann das sein? Irgendwann, in großer Erschöpfung, nach einigen Tränen, nach x Runden Kopfkino und Erwägungen bin ich bereit, die Ohnmacht zu spüren. Die Macht des Sturms anzuerkennen. Mein kleines Sein hier in die Hände des großen Universums zu legen. Mich hinzugeben. Nichts weniger als das will das Leben von mir (und dir). Völlige Hingabe an das Leben. An die pure Lebendigkeit. Diese Hingabe hat mich erlöst. Hat mich getragen durch diese Nacht. Hingabe erlöst Angst.

 

Hingabe an Leben und Sterben.

Wieder einmal……

 

neu geboren werden.

Wieder…..

 

Das Leben mit neuen Augen zu sehen. Das Gras ist grüner, die Sonne strahlt heller, die Vögel singen noch schöner…… die Stille in mir ist tiefer geworden….

Hinabsinken in die Tiefe des eigenen Sees, des eigenen inneren Meeres…..

sich der Dunkelheit dort hingeben. Die Stürme an der Oberfläche rücken in weite Ferne….

SEIN

 

SEGEN

 

Sisom

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